DI unzureichend geltend gemacht - Versicherer leistungsfrei

Die Geltendmachung der Dauerinvalidität beschäftigt den OGH immer wieder. In der aktuellen Entscheidung OGH 7 Ob 22/21t, versdb 2021, 20 war strittig, ob die Dauerinvalidität ausreichend geltend gemacht wurde.

Die Klägerin hat mit der Beklagten (Versicherer) einen Unfallversicherungsvertrag abgeschlossen, dem die AUVB 2006 zugrundeliegen, die auszugsweise lauten:

 

„Artikel 7 – Dauernde Invalidität

1. […] Ein Anspruch auf Leistung für dauernde Invalidität ist innerhalb von 15 Monaten vom Unfalltag an geltend zu machen und unter Vorlage eines ärztlichen Befundes zu begründen. […]“

 

Die Klägerin erlitt am 6. 8. 2017 einen Unfall. Ihr Versicherungsmakler erstattete am 17. 10. 2017 eine Schadensmeldung an die Beklagte mit folgendem Wortlaut:

 

„[…] als beauftragter Versicherungsmakler unseres Kunden möchte ich gegenständlichen Schaden melden. […] Eventuelle Dauerfolgen sind nach den derzeitigen Unterlagen möglich. Beiliegend die kausalen Unterlagen, ...“

 

Dieser Schadensmeldung war neben dem ärztlichen Entlassungsbrief der Ambulanzdekurs des Krankenhauses angeschlossen, in dem es heißt:

 

„[…] Beweglichkeit zeigt sich mit 40° Streckdefizit noch sehr unbefriedigend, dies wird der Pat. auch erklärt, jedoch hat man bei der klinischen Untersuchung das Gefühl, dass hier ein muskuläres Anspannen und ein Kapselmuster besteht. […] Intensive Physiotherapie nun weiter, mindestens 2 Serien. Auch wäre eine Reha sehr sinnvoll – bitte einen Reha-Antrag über den Hausarzt zu stellen. […]“

 

Die Beklagte antwortete auf die Schadensmeldung am selben Tag unter anderem mit folgendem Hinweis:

 

„Etwaige Leistungsansprüche aus dem Titel der bleibenden Invalidität sind bedingungsgemäß mittels Vorlage eines ärztlichen Befundberichtes, aus dem Art und Umfang der Gesundheitsschädigung und die Möglichkeit einer auf Lebenszeit dauernden Invalidität hervorgehen, zu begründen sowie fristgerecht innerhalb von 15 Monaten zu stellen.

Wir weisen in diesem Zusammenhang daraufhin, dass alle Ansprüche erlöschen, wenn diese Leistungsansprüche nicht innerhalb von 15 Monaten – gerechnet ab dem Unfalltag – bei der [Beklagten] geltend gemacht werden.“

 

Die Klägerin wurde daraufhin nicht mehr aktiv.

 

Strittig war nun zwischen der Klägerin und der Beklagten, ob in der Schadenmeldung vom 17. 10. 2017 die Dauerinvalidität ausreichend geltend gemacht wurde.

 

 

Entscheidung des OGH

 

Der OGH verneinte, dass die Dauerinvalidität ausreichend bzw. rechtzeitig geltend gemacht wurde:

 

Die bloße Mitteilung des Unfalls und der unmittelbaren Verletzungsfolge genügt grundsätzlich für die Geltendmachung des Ersatzanspruchs für Dauerfolgen noch nicht; die Schadensmeldung kann für sich allein noch nicht als Geltendmachung der Leistung für dauernde Invalidität gewertet werden.

 

Zum Nachweis der Invalidität liegen ebenfalls einschlägige Entscheidungen des Fachsenats vor, wonach daran keine besonderen Anforderungen gestellt werden. Es genügt vielmehr ein ärztlicher Befundbericht, der dem Versicherer die ärztlich begründete Wahrscheinlichkeit einer dauernden Invalidität vermittelt.

 

Im vorliegenden Fall wird in der Schadensmeldung selbst lediglich darauf hingewiesen, dass „eventuelle Dauerfolgen [...] nach den derzeitigen Unterlagen möglich [sind]“ und aus dem angeschlossenen Ambulanzdekurs sind Dauerfolgen überhaupt nicht konkret nachvollziehbar. Die Verneinung einer dem Art 7.1. AUVB 2006 entsprechenden Geltendmachung einer Leistung aus dauernder Invalidität durch das Berufungsgericht hält sich daher im Rahmen der dazu vorliegenden Rechtsprechung und ist demnach nicht korrekturbedürftig.

 

Es liegt auch jedenfalls kein Verstoß gegen Treu und Glauben vor, weil der Versicherer auf den Ablauf der 15-Monatsfrist hingewiesen hat.

 

 

Anmerkung (Quelle: Maitz, Die Unfallversicherung, Verlag Österreich)

 

Grundsätzlich kann die Dauerinvalidität auch mit der Schadenmeldung bereits geltend gemacht werden, wenn dargelegt wird, dass mit einer Dauerinvalidität zumindest gerechnet wird und dies durch einen Arzt auch bestätigt wird.

 

Beinhaltet der ärztliche Befundbericht lediglich objektive Feststellungen, die auf eine Dauerinvalidität schließen lassen, reicht dies nicht aus, wenn nicht zusätzlich der Schluss gezogen wird, dass eine Dauerinvalidität besteht (BGH VersR 1988, 286). Wird beispielsweise eine Knorpelschädigung oder ein chronisch gewordener Krankheitszustand ohne Hinweis auf eine Dauerschädigung diagnostiziert, ist die Invalidität nicht geltend gemacht (OLG Koblenz r+s 2003, 473; OLG Karlsruhe VersR 1998, 882). Diesbezüglich reicht es aber aus, wenn der Arzt angibt, dass mit Dauerfolgen zu rechnen ist, weil eine Prognose letztlich auch nicht mehr aussagen kann. So reichen beispielsweise auch Formulierungen wie „mit Dauerschaden ist zu rechnen“, „Dauerschaden wird verbleiben“ (Knappmann in Prölss/Martin, VVG29 Ziff. 2 AUB Rz 13). Sind in der Schadensmeldung des Versicherungsnehmers, die von seiner Versicherungsmaklerin an den Versicherer weitergeleitet wurde, sowohl der Unfallhergang als auch die Verletzungen und Unfallfolgen vermerkt und enthält der vom Hausarzt des Versicherungsnehmers eingefügte „ärztliche Teil“ einerseits die medizinische Diagnose und wird andererseits eine auf Dauer verbleibende Invalidität mit dem Zusatz „möglicherweise“ bejaht, hat bei verständiger Würdigung dieser dem Versicherer fristgerecht zugegangenen Schadensmeldung der Versicherungsnehmer seinen Anspruch auf Leistung für Dauernde Invalidität geltend gemacht und diesen auch unter Vorlage eines ärztlichen Befunds ausreichend begründet (OGH 7 Ob 9/11s).

Nicht ausreichend ist der Hinweis des Arztes auf „persistierende Beschwerden“, weil das nur bedeutet, dass die Beschwerden länger anhalten, aber nicht zwingend dauerhaft sind (LG Göttingen r+s 2012, 194). Formulierungen, die nur aussagen, dass möglicherweise eine Invalidität eintreten werde, nicht jedoch, dass diese aktuell, sondern nur für die Zukunft in Erwägung gezogen wird, reichen nicht aus.