Verschwiegener Gehörschaden: Versicherer nur teilweise leistungsfrei

Die Bedingungen enthielten u.a. folgende Bestimmung zur Bemessung des Invaliditätsgrades:

 

"Für die Bemessung des Invaliditätsgrades gelten folgende Bestimmungen:

2.1 […]

das Gehör beider Ohren 70 %

das Gehör eines Ohres 35 %

sofern das Gehör des anderen Ohres vor dem Versicherungsfall bereits verloren war 45 %."

 

Der Versicherungsnehmer hatte bereits am 17. 1. 2007 als Wehrdienstleistender bei Schießübungen ein Knalltrauma am linken Ohr erlitten, das einen 100%igen Verlust des Hörvermögens an diesem Ohr zur Folge hatte. Dieser Vorschaden lag zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Abschluss des streitgegenständlichen Versicherungsvertrags zur Gänze vor und war dem Kläger auch bekannt. Der Versicherungsnehmer verschwieg bei Antragstellung diesen Umstand.

 

Am 29. 10. 2014 erlitt der Versicherungsnehmer bei Umbauarbeiten in seinem Wohnhaus einen Gehörschaden, weil ein Schneidegerät mit hoher Frequenz betrieben worden sei und er keinen Gehörschutz getragen habe. Am rechten Ohr sei ein Gehörverlust von 95 % entstanden, was nach den Versicherungsbedingungen einer dauernden Invalidität von 42,75 % entspreche, weil der Versicherungsnehmer durch Schießübungen im Jahr 2007 am linken Ohr einen gänzlichen Hörverlust erlitten hatte.

 

War der nicht oder falsch angezeigte Umstand nicht für den Eintritt des Versicherungsfalls, sondern nur für den Umfang der Versicherungsleistung kausal, so wird der Versicherer auch nur insoweit leistungsfrei. Die Bestimmung folgt einem Prinzip der verursachungsgerechten Leistungskürzung. Das früher geltende Alles-oder-Nichts Prinzip ist damit im Bereich der §§ 16 bis 22 VersVG beseitigt.

 

Der Versicherungsnehmer selbst spricht die Versicherungsleistung unter Hinweis darauf, dass das Gehör des linken Ohres bereits verloren war, auf Grundlage der höheren Gliedertaxe von 45 %, statt von 35 % an. Im Umfang dieser Erhöhung der Leistung ist der verschwiegene Umstand jedenfalls kausal, sodass der Versicherer insoweit leistungsfrei ist.

 

Wären die Angaben des Versicherungsnehmers richtig gewesen, dann wäre vor Eintritt des Unfalls von einem beidseitig funktionierenden Gehör auszugehen. Damit bestünde aber grundsätzlich Leistungspflicht des Versicherers unter Heranziehung der Gliedertaxe von höchstens 35 %. Da die Vorinstanzen diesen Aspekt nicht beachteten, befassten sie sich auch nicht mit den umfangreichen weiteren Einwendungen des Versicherers, sodass die Entscheidungen aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Ergänzung der Sachverhaltsgrundlage durch das Erstgericht zurückzuverweisen war (OGH 7 Ob 175/17m, versdb 2018, 11).

 

Fazit: Ist der vom Versicherungsnehmer im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht nicht angezeigte Umstand nur für den Umfang der Versicherungsleistung kausal (hier: erhöhter Invaliditätsgrad auf Basis des Gliedertaxenwertes von 45 % bei Vorschädigung des linken Ohres statt auf Basis von 35 % ohne Vorschädigung des linken Ohres), wird der Versicherer nur für den auf Basis von 35 % übersteigenden Teil leistungsfrei. Anders wäre dies nur zu beurteilen, wenn die Vorschädigung des anderen Ohres Auswirkungen auf die Schädigungen des beim Versicherungsfall geschädigten Ohres hatte.