Unfall nach Umbau eines Radbaggers

Der VN kaufte im Mai 2006 einen Radbagger und ließ diesen bei der F GmbH zu einer Holzerntemaschine umbauen. Der VN erhielt dabei von der F GmbH keinen Hinweis dahin, dass aufgrund des Umbaus zur Holzerntemaschine eine Änderung der Verglasung der Fahrerkabine erforderlich oder verpflichtend sei. Im Sommer 2007 erfolgte bei der F GmbH die Umrüstung des Baggers auf einen leistungsfähigeren Harvesterkopf.

 

Der Umbau des Radbaggers wurde vorgenommen, obwohl in der Betriebsanweisung ausdrücklich festgehalten ist: „Verwenden Sie das Gerät nicht für andere Zwecke als in diesem Handbuch beschrieben. Falls Sie dieses Gerät für Arbeiten einsetzen, die spezielle Ausrüstungen, Zubehörteile oder Werkzeuge nötig machen, wenden Sie sich an Ihren (…)-Vertragshändler, um sicher zu gehen, dass die vorgenommenen Anpassungen oder Änderungen mit den technischen Daten des Geräts vereinbar sind und den geltenden Sicherheitsvorschriften genügen. Alle vom Hersteller nicht genehmigten Umbauten oder Anpassungen können die ursprüngliche Konformität des Geräts mit den Sicherheitsanforderungen in Frage stellen.“ Der VN holte keine Genehmigung des Herstellers zum Umbau des Baggers ein.

 

Am 18. 9. 2008 kam es zu einem Arbeitsunfall mit dem umgebauten Radbagger, bei dem ein Arbeitnehmer des VN durch einen Kettenschuss, bei dem Teile der gerissenen Kettensäge die Verglasung der Fahrerkabine des Radbaggers durchschlugen, schwer am Körper verletzt wurde und seither querschnittsgelähmt ist. 

 

Der Versicherer ist dann leistungsfrei, wenn der Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt wurde und bewusst – insbesondere im Hinblick auf die Wahl einer kosten- oder zeitsparenden Arbeitsweise – den für den versicherten Betrieb oder Beruf geltenden Gesetzen, Verordnungen oder behördlichen Vorschriften zuwider gehandelt wurde. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Die Leistungsfreiheit des Versicherers setzt daher nicht etwa nur das Kennenmüssen, das heißt einen grob fahrlässigen Verstoß gegen Vorschriften voraus, sondern einen bewussten, das heißt vorsätzlichen Verstoß. Der Versicherungsnehmer muss die (Verbots-)Vorschrift zwar nicht in ihrem Wortlaut und in ihrem ganzen Umfang kennen, er muss sich aber bei seiner Vorgangsweise bewusst sein, dass er damit gegen Vorschriften verstößt, muss also das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit seiner Handlungsweise haben.

 

Das Nichtkennen einer Vorschrift kann mangels bewussten Zuwiderhandelns nicht zu einer Leistungsfreiheit des Versicherers führen. Waren dem VN bis zum Unfall weder die ÖNORM EN 14861 noch eine gesetzliche Verpflichtung zum Einbau einer anderen als der konventionellen Verglasung in eine Arbeitsmaschine bekannt und hatte das Arbeitsinspektorat die Verglasung des umfunktionierten Radbaggers bis zum Unfall auch nicht bemängelt und waren die – überdies nur sehr allgemein gehaltenen, keine wirklich konkreten Verhaltensanweisungen vermittelnden – §§ 4 und 35 ASchG dem VN ebenfalls nicht explizit bekannt, ist der Ausschlusstatbestand "bewusstes Zuwiderhandeln gegen Vorschriften" nicht erfüllt. Das Nichtkennen einer Vorschrift kann mangels bewussten Zuwiderhandelns nicht zu einer Leistungsfreiheit des Versicherers führen (OGH 7 Ob 214/17x, versdb 2018, 59).

 

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