OGH zum Spätrücktritt in der Lebensversicherung

 

Die Kernaussagen des Urteils:

  • Einem dem VN infolge fehlerhafter Informationen des Versicherers gegebenenfalls zustehendes unbefristetes Rücktrittsrecht steht der Umstand nicht entgegen, dass die Laufzeit des Versicherungsvertrags längst abgelaufen und der Versicherer dem VN auch schon den Ablaufwert ausbezahlt hat.
  • Selbst wenn man davon ausginge, dass die Rechtsbelehrung bzw die AVB der Beklagten dem Kläger den Eindruck einer notwendigen Schriftform für die Ausübung des Rücktrittsrechts nach § 165a Abs 1 VersVG (idF BGBl I 1997/6) vermittelt haben, folgt daraus keine relevante Erschwernis dieses Rücktrittsrechts. Auf die Einhaltung der Schriftform konnte sich die Beklagte nicht berufen, sodass ein allfälliger Rücktritt des Klägers in jeder beliebigen Form wirksam gewesen wäre. Die Schriftform steht im gegebenen Kontext nicht mit europarechtlichen Vorgaben im Widerspruch, ist eine auch für Private (Verbraucher) ohne praktische Hürden wahrnehmbare und faktisch regelmäßig praktizierte Mitteilungsform und dient im vorliegenden Zusammenhang dem Schutz des Versicherungsnehmers bei der Wahrnehmung seiner Beweispflicht. Ein allfälliges Verlangen der Beklagten nach einer schriftlichen Ausübung des Rücktritts ist daher nach § 165a Abs 1 VersVG (idF BGBl I 1997/6) keine relevante Erschwernis dieses Rücktrittsrechts, die dessen unbefristete Ausübung erlauben würde.
  • Die Rücktrittsfrist nach § 165a Abs 1 VersVG (idF BGBl I 1997/6) hat im vorliegenden Fall mit dem Zeitpunkt zu laufen begonnen, zu dem der VN davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass der Vertrag geschlossen ist, also mit Zugang der Polizze samt Begleitschreiben vom 3. 2. 1999. Der im Jahr 2017 erklärte Vertragsrücktritt ist daher längst verfristet.

OGH 7 Ob 4/20v, versdb 2020, 8