Prospekthaftung: Deckung im Schadenersatz-Rechtsschutz?

Die Abgrenzung zwischen Schadenersatz-Rechtsschutz und Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz ist oft schwierig. Aktuell entschied der OGH einen Fall, bei dem es u.a. um eine Schadenersatzforderung des VN aufgrund der gesetzlichen Prospekthaftung ging (OGH 7 Ob 141/20s, versdb 2020, 52).

 

 

Der VN hatte einen Rechtsschutzversicherungsvertrag, der den Schadenersatz-Rechtsschutz, aber keinen Vertrags-Rechtsschutz beinhaltete.

Um im Jahr 2017 einen Gewinnfreibetrag zu nutzen, kaufte der VN Ende Oktober 2017 zehn Stück Schuldverschreibungen der W***** AG (Emittentin) zu je EUR 1.000. Die Emittentin hat die Anleihen selbst vertrieben. Über das Vermögen der Emittentin wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der VN meldete seine Forderung an. Diese wurde vom Masseverwalter jedoch bestritten. Der VN beabsichtigt nunmehr Ansprüche gegen den Masseverwalter der Emittentin zu verfolgen, was er wie folgt begründet: Die Emittentin habe einen Kapitalmarktprospekt im Sinn des KMG erstellt und veröffentlicht. Begleitend seien von ihr Werbeunterlagen ausgegeben worden. Die Angaben im Kapitalmarktprospekt wie auch die Informationen in den begleitenden Werbeunterlagen seien irreführend und unvollständig gewesen. Auch in Verkaufsgesprächen mit Mitarbeitern der Emittentin sei dem VN ein falsches Bild vom Investment vermittelt worden. Die Zeichnung des VN sei im Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des von der Emittentin erstellten und veröffentlichten Kapitalmarktprospekts, der begleitenden Werbeunterlagen sowie den im Rahmen von Verkaufsgesprächen erteilten Informationen erfolgt. Die Emittentin hafte für den daraus entstandenen Schaden des Klägers aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen, insbesondere der Prospekthaftung gemäß § 11 KMG und wegen Werbeverstößen gemäß § 4 KMG. Der VN habe die Forderung im Insolvenzverfahren angemeldet. Sie sei bestritten worden. Er sei damit zur Feststellung der Forderung auf den Klagsweg verwiesen.

 

Die Bestimmungen zum Schadenersatz-Rechtsschutz in den ARB lauten so:

"2. Was ist versichert?

Der Versicherungsschutz umfasst

2.1. Schadenersatz-Rechtsschutz

für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen eines erlittenen Personen-, Sach- oder Vermögensschadens; ...

3. Was ist nicht versichert?

3.1. Zur Vermeidung von Überschneidungen mit anderen Rechtsschutz-Bausteinen umfasst der Versicherungsschutz nicht

3.1.3. die Geltendmachung von Ansprüchen aus schuldrechtlichen Verträgen sowie die Geltendmachung von Ansprüchen wegen reiner Vermögensschäden, die aus der Verletzung vertraglicher Pflichten entstehen und über das Erfüllungsinteresse hinausgehen, oder aus der Verletzung vorvertraglicher Pflichten entstehen (versicherbar in Artikel 23); …"

 

Strittig war nun, ob die Streitigkeit in den Schadenersatz-Rechtsschutz fällt, weil die Schadenersatzforderung auf Basis der (gesetzlichen) Prospekthaftung erfolgt, oder ob die Streitigkeit unter den hier nicht eingeschlossenen Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz fällt, weil die Schadenersatzforderung die Grundlage in vorvertraglichen Aufklärungs- und Beratungspflichten (culpa in contrahendo) hat.

Der OGH entschied, dass Deckung aus dem Schadenersatz-Rechtsschutz besteht, soweit die beabsichtigte Geltendmachung von Ansprüchen nach § 11 KMG und wegen der Verletzung von § 4 KMG (gesetzliche Haftung) erfolgt. Der OGH begründet seine Entscheidung so:

§ 11 KMG ist ein Fall einer gesetzlichen Prospekthaftung, die in Konkurrenz zu Ansprüchen aus der allgemein zivilrechtlichen Prospekthaftung nach culpa in contrahendo tritt. Auch wenn die hier interessierende Prospekthaftung nach § 11 KMG der Haftung aus culpa in contrahendo am nächsten kommt, so handelt es sich doch um eine spezifische kapitalmarktrechtliche Bestimmung. Dieser Fall einer gesetzlichen Prospekthaftung untersteht an sich dem Schadenersatz-Rechtsschutz nach Art 19.2.1 ARB. Der Deckungsabgrenzungsausschluss besteht für die Geltendmachung reiner Vermögensschäden wegen Verletzung vertraglicher Pflichten. Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer wird daher die Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund einer gesetzlichen Haftung, die auf die Verletzung gesetzlicher Pflichten abstellt und grundsätzlich unabhängig von einer (angestrebten) Vertragsbeziehung bestehen kann, nicht dem Deckungsabgrenzungsausschluss des Art 19.3.1.3 ARB unterstellen. Die beabsichtigte Geltendmachung von Ansprüchen nach § 11 KMG und wegen der Verletzung von § 4 KMG ist daher nicht ausgeschlossen.

Deckungsschutz im Schadenersatz-Rechtsschutz besteht daher, soweit der VN seine Ansprüche auf die Prospekthaftung nach § 11 KMG und die Verletzung des Schutzgesetzes nach § 4 KMG stützt. Anders verhält es sich, soweit der VN seine Ansprüche auf die Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten im Zuge des Verkaufsgesprächs gründet; handelt es sich doch hier eindeutig um die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus der Verletzung vorvertraglicher Pflichten. Insoweit gelangt der Deckungsabgrenzungsausschluss zur Anwendung.

 

Anmerkung

 

Die Abgrenzung zwischen Schadenersatz-Rechtsschutz und Vertrags-Rechtsschutz bereitet häufig Schwierigkeiten. Es kommt wesentlich darauf an, worauf der VN seine Schadenersatzanforderung stützt. Zum Thema der Deckung für Ansprüche aufgrund der gesetzlichen Prospekthaftung entschied der OGH bereits im Jahr 2016 (OGH 7 Ob 112/16w). Es gibt unabhängig vom Thema der Prospekthaftung auch zahlreiche weitere Urteile des OGH zu dieser Abgrenzungsthematik.

 

 

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