OGH kippt Dauerrabattklausel und zahlreiche weitere praxisrelevante Klauseln

Der OGH kippt in einem Verbandsprozess wieder eine Dauerrabattklausel, sowie zahlreiche weitere Klauseln, die für die Praxis große Relevanz haben. Lesen Sie hier einen Überblick über die wichtigsten Inhalte der Entscheidung OGH 7 Ob 156/20x (versdb 2021, 4) mit kurzen Anmerkungen.

 

 

 

A) Dauerrabattrückforderung höher als der gewährte Rabatt

 

Bei Verbraucherverträgen beinhaltet die im Antrag bzw. in der Polizze ausgewiesene Gesamtprämie ab einer Laufzeit von mehr als zwei Jahren einen 20%igen Laufzeitbonus.

 

Klausel im Versicherungsvertrag zur Nachforderung bei vorzeitige Vertragsauflösung:

"Bemessungsgrundlage für die Nachforderung ist die letzte gültige Prämie, wobei diese auf eine Jahresprämie hochzurechnen ist. […]

Die Laufzeitbonus-Nachforderung errechnet sich gemäß nachstehender Tabelle:

Vertragsauflösung nach einem vollendeten Versicherungsjahr 70 % der Bemessungsgrundlage

Vertragsauflösung nach zwei vollen Versicherungsjahren 70 % der Bemessungsgrundlage

[…]“

 

OGH: Beträgt der Prozentsatz der Rückzahlungsverpflichtung für die ersten drei Jahre unverändert 70 % der Bemessungsgrundlage, was unstrittig jedenfalls dazu führt, dass bei einer Vertragsauflösung nach einem bzw. zwei vollen Versicherungsjahren der Versicherungsnehmer mehr zurückzahlen muss, als er an Rabatt erhalten hat. Die Klausel ist somit als gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB anzusehen.

 

Anmerkung: Da zahlreiche aktuelle Dauerrabattklauseln in den ersten Jahren eine ähnlich hohe Rückforderung vorsehen, werden wohl auch diese Klauseln vielfach unwirksam.

 

 

B) Unfall: Auszahlung der Invaliditätsleistung ab Vollendung des 75. Lebensjahres als Rentenleistung

 

Die in den AUVB enthaltene Klausel, wonach statt der Kapitalleistung eine Rentenleistung erbracht wird, wenn die versicherte Person im Zeitpunkt des Unfalls das 75. Lebensjahr bereits vollendet hat, weicht von den Erwartungen des durchschnittlichen Unfallversicherungsnehmers schon insoweit erheblich ab, als üblicherweise die – vom Invaliditätsgrad abhängige – Auszahlung eines Kapitalbetrags erwartet wird, zumal die Versicherungssumme für dauernde Invalidität in der Versicherungspolizze auch regelmäßig als eine (einmalige) Kapitalleistung ausgewiesen ist. Die Klausel ist daher schon objektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB (vgl auch Maitz, AUVB [2017], 81), nachteilig und daher unwirksam.

 

 

C) Unfall: Leistungsreduktion bei Erreichen eines bestimmten Alters

 

Klausel im Versicherungsvertrag: „Für Erwachsene gelten die Versicherungssummen in der vereinbarten Höhe bis zum Ende des Versicherungsjahres, in dem der Versicherte das 70. Lebensjahr vollendet hat. Ab diesem Zeitpunkt reduzieren sich die Versicherungssummen für den betreffenden Versicherten um 30 %. Der Versicherungsnehmer kann die Umstellung in eine Unfallversicherung für Senioren beantragen.“

 

OGH: Das Einziehen einer willkürlichen Altersgrenze, die die Reduktion der Versicherungssumme bewirkt, ist objektiv überraschend und daher die Klausel nach § 864a ABGB unwirksam.

 

 

D) Unfall: Schadenkündigungsklausel, bei der der Versicherer im ersten Schadenfall bereits kündigen kann

 

Die Kündigungsmöglichkeit für den Versicherer bereits beim ersten Versicherungsfall, mag dieser auch nur in der Knochenbruchpauschale – von hier EUR 75 – liegen, ist gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.

 

Anmerkung: Der OGH entschied über ähnliche Klauseln bereits für die Rechtsschutzversicherung. Dass die Entscheidung auch für die Unfallversicherung so ausfällt, war zu erwarten. Die meisten Schadenkündigungsklauseln in der Unfallversicherung sind somit unwirksam.

 

 

E) Jährliches Kündigungsrecht nach 3 Jahren für beide Vertragspartner

 

Klausel im Versicherungsvertrag:

„Jährliches Kündigungsrecht nach drei Jahren für beide Vertragspartner

In Ergänzung der diesem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen und Besonderen Bedingungen haben beide Vertragspartner das Recht, gegenständlichen Versicherungsvertrag, unabhängig von der in der Polizze festgesetzten Dauer zum Ende des dritten Jahres nach Vertragsbeginn oder danach jeweils zum Ende der laufenden Versicherungsperiode unter Einhaltung der Kündigungsfrist zu kündigen. Für den Versicherungsnehmer gilt eine Kündigungsfrist von einem Monat, für den Versicherer gilt eine Kündigungsfrist von drei Monaten als vereinbart“.

 

OGH: Grundsätzlich enden befristete Vertragsverhältnisse mit Zeitablauf. § 8 Abs 3 VersVG sieht ausnahmsweise zu Gunsten des Versicherungsnehmers ein vorzeitiges – ordentliches – Kündigungsrecht bei einem befristeten Versicherungsvertrag vor. Die gesetzliche Regelung beinhaltet nicht nur kein ordentliches Kündigungsrecht des Versicherers im Zusammenhang mit befristeten Versicherungsverträgen, vielmehr besteht nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers für den Versicherer auch gar nicht die Möglichkeit ein solches Kündigungsrecht zu seinen Gunsten zu vereinbaren, wird der Versicherer doch ausdrücklich auf eine entsprechende Wahrnehmung bei Vereinbarung der Befristung verwiesen.

Die Klausel verstößt damit gegen das Gesetz und ist im Sinn des § 879 Abs 1 ABGB nichtig.