Winterreifen Profiltiefe zu gering - Kaskoversicherung leistungsfrei

Das Unterschreiten der Mindestprofiltiefe ist ein vieldiskutiertes Thema. Sowohl in der KFZ Kasko- als auch in der KFZ Haftpflichtversicherung kann dies zur Leistungsfreiheit führen. Der OGH entschied aktuell einen Fall, bei dem die Winterreifen eine Profiltiefe von 2,2 mm aufwiesen (OGH 7 Ob 205/20b, versdb 2021, 7).

 

 

Der VN war mit seinem Fahrzeug in Deutschland unterwegs und erlitt bei winterlichen Fahrverhältnissen einen Unfall mit seinem Fahrzeug. Er begehrte eine Leistung aus seiner Kaskoversicherung.

 

Der Versicherer lehnte die Leistungspflicht ab, weil die Mindestprofiltiefe der Winterreifen (2,2 mm auf der Hinterachse) bei winterlichen Fahrverhältnissen nach österreichischen Recht zum Unfallzeitpunkt zu gering war, und somit eine Gefahrerhöhung vorliegt.

 

Der PKW des VN, der in Österreich zugelassen war, durfte während des Zeitraums 1. 11. bis 15. 4. bei winterlichen Fahrbahnverhältnissen wie insbesondere Schneefahrbahn, Schneematsch oder Eis nur dann in Betrieb genommen werden, wenn an allen Rädern Winterreifen angebracht sind (§ 102 Abs 8a KFG), die eine Profiltiefe von mindestens 4 mm (Reifen in Radialbauart) aufweisen (§ 4 Abs 4 Z 4 Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung 1967).

 

 

OGH bestätigte Leistungsfreiheit

 

Der Kaskoversicherer ist wegen Gefahrenerhöhung leistungsfrei, weil die Profiltiefe der hinteren beiden Reifen nur mehr rund 2,2 mm war, sodass davon auszugehen ist, dass keine hinreichend betriebssichere Bereifung vorliegt. Wie sich aus § 25 Abs 2 Satz 1 VersVG ergibt, genügt jeder Grad schuldhaften Verhaltens des VN, also bereits leichte Fahrlässigkeit. Der VN bestreitet nicht, dass ihm der nicht mehr betriebssichere Zustand der Hinterreifen bekannt sein musste.

 

Eine Gefahrenerhöhung nach § 23 Abs 1 VersVG ist eine nachträgliche Änderung der bei Vertragsabschluss tatsächlich vorhandenen gefahrenerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht und den Versicherer deshalb vernünftigerweise veranlassen kann, die Versicherung aufzuheben oder nur gegen erhöhte Prämie fortzusetzen. Darunter wird ein Gefährdungsvorgang verstanden, der seiner Natur nach geeignet ist, einen neuen Gefahrenzustand von so langer Dauer zu schaffen, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Schadenverlaufs bilden kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalls generell zu fördern geeignet ist. Zu einer Gefahrenerhöhung im Sinn des § 23 Abs 1 VersVG kann es nach der Judikatur des OGH auch durch den Einsatz eines nicht mehr verkehrssicheren Fahrzeugs kommen, was etwa dann der Fall ist, wenn abgefahrene Reifen verwendet werden.

 

Der VN hat seinen Wohnsitz, der Versicherer seinen Sitz in Österreich. Die Parteien des Kaskoversicherungsvertrags vereinbarten zusätzlich die Anwendung österreichischen Rechts. Ohne Fehlbeurteilung ging das Berufungsgericht davon aus, dass dem Kaskoversicherungsvertrag österreichische Vorschriften zugrundezulegen sind. Für die Gefahrenerhöhung ist damit allein die sehr deutliche Unterschreitung der Mindestprofiltiefe von 4 mm (nur 2,2 mm auf der Hinterachse) bei winterlichen Fahrbahnverhältnissen maßgeblich. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass es darauf, dass sich der Unfall in Deutschland ereignete und nach den dortigen Vorschriften bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eisglätte oder Reifglätte lediglich die Verwendung von Winterreifen mit einer Mindestprofiltiefe von 1,6 mm vorgeschrieben war (§ 2 Abs 3a Satz 1 [deutsche] Straßenverkehrs-Ordnung; § 36 Abs 3 Satz 4 [deutsche] Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung), nicht ankomme, ist damit nicht korrekturbedürftig.

 

 

Anmerkung

 

Das Thema des Unterschreitens der Mindestprofiltiefe von Winterreifen ist ein vieldiskutiertes Thema. Der Versicherer hat in der Kaskoversicherung im Grunde zwei Möglichkeiten, sich auf die Leistungsfreiheit zu berufen. Die erste Möglichkeit ist die Leistungsfreiheit aufgrund grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles nach § 61 VersVG. Die zweite Möglichkeit ist der Einwand der Gefahrerhöhung - wie im vorliegenden Fall. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass eine mögliche Deckungserweiterung für "grobe Fahrlässigkeit" in der Kaskoversicherung sich nicht auf Obliegenheiten, wie etwa auf die Gefahrerhöhung, bezieht, sondern nur auf die Herbeiführung des Versicherungsfalles nach § 61 VersVG (vgl OGH 7 Ob 132/19s). Bei solchen Deckungserweiterungen werden Fälle des Unterschreitens der Mindestprofiltiefe häufig ausgenommen. 

 

Bei einer Gefahrerhöhung schadet dem VN bereits leichte Fahrlässigkeit. Hier einige Aussagen des OGH zum Thema der Gefahrerhöhung: 

  • Für den geforderten Dauerzustand relevant ist nicht, dass die erhöhte Gefahrenlage tatsächlich schon längere Zeit bestanden hat, sondern dass sie ex ante auf längere Zeit ausgelegt war.
  • Die Voraussetzungen der Gefahrerhöhung erfüllen solche Gefährdungsvorgänge nicht, bei denen von vornherein feststeht, dass sie nur von so kurzer Dauer sein können, dass es schon aus zeitlichen Gründen sinnlos wäre, sie dem Versicherer anzuzeigen, um ihm eine Entschließung über die Kündigung des Versicherungsvertrages zu ermöglichen.
  • Auch ein Unterlassen kann eine subjektive Gefahrenerhöhung sein (Autoschlüssel wurde gestohlen - VN hat es unterlassen, dass Schloss auszutauschen)

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