Rechtsschutz: Streit um Verstoßzeitpunkt und Ablauf der Nachmeldefrist

OGH 7 Ob 213/20d, versdb 2021, 23:

 

 

Verstoßzeitpunkt bei mangelhaft erbrachter Werkleistung:

 

Hier liegt der Keim des Rechtsstreits in der mangelhaft erbrachten Werkleistung des VN bis Jänner 2017. Der Versicherungsfall ereignete sich damit jedenfalls während der Laufzeit des Versicherungsvertrags; auf vom VN im Februar 2017 durchgeführte Restarbeiten, auf sein allfälliges subjektives Bewusstsein vom Verstoß, darauf, dass er in der Folge auf die Rechnungslegung vergaß, oder auf den Umstand, dass die Auftraggeberin dem VN auch der zweieinhalb Jahre später erstatteten Schlussrechnung entgegentrat, kommt es für den Eintritt des Versicherungsfalls nicht an.

 

 

Schadenmeldung nach Ablauf der Nachmeldefrist:

 

Bestimmung in den ARB: "Wird der Deckungsanspruch vom Versicherungsnehmer später als 2 Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages für das betreffende Risiko geltend gemacht, besteht unabhängig davon, wann der Versicherungsnehmer Kenntnis vom Eintritt eines Versicherungsfalles erlangt, kein Versicherungsschutz."

 

OGH: Die Klausel hat folgenden, bei Unternehmergeschäften wie hier zulässigerweise geltungserhaltend reduzierten Inhalt: Vom Versicherungsschutz sind Versicherungsfälle ausgeschlossen, die dem Versicherer später als (hier) zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags für das betreffende Risiko gemeldet werden, wenn den Versicherungsnehmer an der verspäteten Meldung ein Verschulden trifft oder er unverschuldet erst nach Ablauf der Ausschlussfrist Kenntnis vom Versicherungsfall erlangt, es aber im Sinn des § 33 Abs 1 VersVG unterlässt, unverzüglich eine Schadensmeldung an den Versicherer zu erstatten.

 

Die Auftraggeberin (der Klägerin) machte mit ihrer Mängelrüge vom 3. 1. 2017 deutlich geltend, dass die Klägerin gegen ihre sich aus dem Werkvertrag ergebenden Pflichten zur ordnungsgemäßen und mängelfreien Werkerstellung verstoßen habe. Es steht nicht fest, ob die Klägerin diese Mängel behob; sie wusste daher, dass noch Streitpunkte mit ihrer Auftraggeberin bestanden und nicht endgültig ausgeräumt waren, meldete diesen offensichtlichen Rechtsstreit jedoch bis Oktober 2019 nicht. Abgesehen davon, dass auch der festgestellte Umstand, wonach die Klägerin in der Folge auf die Rechnungslegung mehrere Jahre lang vergessen hat, keine unverschuldete Unkenntnis vom Versicherungsfall begründet, gilt die Anzeigeobliegenheit nach Ablauf des Vertrags uneingeschränkt: Der Versicherungsnehmer hat dann alle Versicherungsfälle dem Versicherer unverzüglich zur Kenntnis zu bringen und nicht mit der Anspruchsverfolgung zu zögern oder zuzuwarten, bis sich kostenauslösende Maßnahmen abzeichnen (vgl auch 7 Ob 206/19y).

 

 

 

Weiterführende Informationen:

 

Zu diesem Themengebiet gibt es mittlerweile zahlreiche Judikatur aber auch noch viele Unklarheiten. Lesen Sie als Abonnent der Zeitschrift versdb print folgende Beiträge in Ihrem Onlinearchiv zur Zeitschrift:

 

Versicherungsfall / zeitlicher Geltungsbereich

Erwin Gisch, Versicherungsfall und zeitlicher Geltungsbereich in der Rechtsschutzversicherung (Teil II), versdb print 2021 H 7, 18

Erwin Gisch, Versicherungsfall und zeitlicher Geltungsbereich in der Rechtsschutzversicherung (Teil I), versdb print 2020 H 6, 4

 

Nachhaftung / Nachmeldefrist

Erwin Gisch, Versicherungsfall und zeitlicher Geltungsbereich in der Rechtsschutzversicherung (Teil II), versdb print 2021 H 7, 18

Ewald Maitz, Die Nachhaftung in der Rechtsschutzversicherung im Lichte der aktuellen Judikatur, versdb print 2020 H 6, 14