Der Allmählichkeitsausschluss in der Haftpflichtversicherung

Der Allmählichkeitsausschluss ist in einigen Schadenfällen Anlass für Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten zwischen Versicherer und Vermittler. Es gibt aber vom OGH festgelegte Grenzen für die Anwendung dieses Risikoausschlusses.

 

 

Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an Sachen durch allmähliche Emission oder allmähliche Einwirkung von Temperatur, Gasen, Dämpfen, Flüssigkeiten, Feuchtigkeit oder nicht atmosphärischen Niederschlägen, wie beispielsweise Rauch, Ruß oder Staub. 

 

Personenschäden sind vom Ausschlusstatbestand nicht erfasst.

 

Es handelt sich bei den ausgeschlossenen Allmählichkeitsschäden um kontinuierliche, gewissermaßen schleichende Prozesse, deren Beginn und Ende ebenso wie der Eintritt des Schadens regelmäßig zeitlich nicht eindeutig fixierbar sind. Wäre die Einwirkung kurzfristig gewesen, hätte sie keinen messbaren Schaden verursachen können. Erst die längere Dauer dieser Vorgänge führt zum Schaden. Angesichts der Verschiedenartigkeit der in Betracht kommenden Ursachen lässt sich kein bestimmter Zeitraum als Voraussetzung für die allmähliche Einwirkung aufstellen. Der Gegensatz zu „allmählich“ ist nicht nur „plötzlich“, sondern auch „rasch“ oder „kurzfristig“, sodass sich feste zeitliche Grenzen nicht ziehen lassen. Das Wesen der allmählichen Einwirkung besteht in dem längeren Vorhandensein einer Ursache in etwa gleichbleibendem Umfang, sodass der Schaden nicht durch die einmalige kurzfristige Einwirkung herbeigeführt werden kann, sondern die Ursache gerade in dem ständigen Einwirken liegt. 

 

Die allmähliche Einwirkung muss hinsichtlich der einwirkenden Ursache, nicht aber hinsichtlich des Schadenereignisses gegeben sein, dass der Ausschluss anwendbar ist.

 

Nicht alle Schadenfälle, die man vielleicht auf den ersten Blick als Allmählichkeitsschaden einordnen würde, fallen unter den Risikoausschluss, wie auch folgende Entscheidungen des OGH zeigen:

 

  • OGH 7 Ob 12/93: Der VN verlegte einen Estrich. Die Beschüttung wurde zu feucht eingebracht bzw. war nicht ausreichend ausgetrocknet, als der VN die Arbeit fortsetzte. Solange im gesamten Baukörper gleiche Temperaturen herrschten, konnte die Feuchtigkeit zunächst nicht wirksam entweichen. Mit Beginn der ersten Heizperiode traten jedoch sofort Temperaturunterschiede zwischen der Unterseite der Decke der darunter liegenden Wohnung und der Fußbodenoberfläche der darüber liegenden Wohnung auf. Durch das entstandene Druckgefälle begann die eingeschlossene Feuchtigkeit zu wandern. Sie gelangte von unten zunächst in den Estrich und schließlich zu den Parketten, die die Feuchtigkeit aufnahmen, quellten und sich ausdehnten. Durch die feste Klebeverbindung zwischen den Parketten und den Estrichen machten die Estriche die Verformung der Parkette mit. Der Allmählichkeitsausschluss ist für diesen Fall nach Ansicht des OGH nicht anwendbar: Es erfolgte nicht nur das Einbringen des feuchten Materials und damit der gesamten den Schaden verursachenden Feuchtigkeit in einem einheitlichen, zeitlich eingeschränkten Arbeitsvorgang. Auch die Feuchtigkeitswanderung vom Schüttmaterial in den Parkettboden fand unter plötzlicher Temperatureinwirkung innerhalb eines relativ exakt eingrenzbaren Zeitraumes, nämlich ab Beginn und innerhalb der ersten Heizperiode statt. Die Nachvollziehbarkeit der Schadensursache stößt in einem Fall wie dem vorliegenden auch nicht auf besondere Beweisschwierigkeiten, sondern ist als typische und häufige Ursache derartiger Schäden an Böden in Neubauten anzusehen.

 

  • OGH 7 Ob 18/87: Gerade bei Temperatureinwirkungen bedarf es im Einzelfall einer genauen Prüfung der Frage, ob die Einwirkung eine allmähliche oder eine plötzliche gewesen ist. Anhaltspunkte gibt die Empfindlichkeit des Einwirkungsobjekts gegenüber Temperaturschwankungen. Es gibt Objekte, die nur durch die elementare Gewalt einer Einwirkung zu Schaden kommen können, während sie gegen stetige Einflüsse viel unempfindlicher sind. Zu prüfen ist deshalb, ob der konkrete Schaden auf die Stetigkeit und Dauer oder auf die (plötzliche) Gewalt der Temperatureinwirkung zurückzuführen ist. Im Falle des Einfrierens von Wasser in Leitungsrohren mit anschließendem Zerplatzen kann es nicht als wesentlich angesehen werden, ob die Temperaturen rascher oder langsamer abgesunken sind. Zwar wird ein rascheres Absinken der Temperatur auch ein rascheres Einfrieren des Leitungswassers zur Folge haben. Es ist aber nicht von entscheidender Bedeutung, ob die Rohre etwas früher oder etwas später gesprengt werden und ob die Kälte länger oder weniger lang eingewirkt hat. Denn es ist die Gewalt des sich durch die Kälte ausdehnenden Wassers, das die Rohre sprengt. Die Dauer der Einwirkung der Kälte spielt daher im Allgemeinen keine wesentliche Rolle.

 

 

Für diese Fälle besteht also Deckung ohne die Vereinbarung einer entsprechenden Deckungserweiterung. Es gibt aber viele Fallkonstellationen, bei denen der Allmählichkeitsausschluss zur Anwendung kommt. Zahlreiche Versicherungsprodukte bieten die Möglichkeit, Allmählichkeitsschäden in den Versicherungsvertrag mit bis zu 100 % der Versicherungssumme einzuschließen. Schäden durch ständige Emissionen des versicherten Betriebes bleiben allerdings oft vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Für Sachschäden durch Umweltstörung gelten gesonderte Regelungen zum Allmählichkeitsschaden (geregelt in Artikel 6 AHVB Musterbedingungen).

 

Quellen: versdb SCHADENANALYSE, AHVB/EHVB Kommentar (Verlag Österreich)

 

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