OLG Wien kippt Umstellung auf Erwachsenentarif in der Kranken

 

Die Umstellung auf einen Erwachsenentarif bei Vollendung des 18. Lebensjahres ist gängige Praxis und grundsätzlich auch zulässig. Erfüllt diese Klausel allerdings nicht bestimmte Kriterien, ist die Klausel nach Ansicht des OLG Wien (1 R 62/21a) unzulässig.

 

 

Die der Entscheidung zugrunde gelegten Bedingungen lauteten auszugsweise:

 

"[...] Hat ein mitversichertes Kind das 18. Lebensjahr vollendet, so sind ab dem nächstfolgenden Monatsersten die Prämien zu bezahlen, die für erwachsene Personen zu entrichten sind. [...]“

 

Das Gericht beanstandete aufgrund einer Klage des VKI (Verein für Konsumenteninformation) die automatische Prämienanpassung aus folgenden Gründen:

 

 

Sofortige Kündigung durch den Versicherungsnehmer muss möglich sein

 

Da die Umstellung automatisch erfolgt, von der Beklagten (Versicherer) nicht vorangekündigt werden muss und die neue Prämienhöhe für den Versicherungsnehmer und den Mitversicherten nicht einmal größenordnungsmäßig vorweg abschätzbar ist, werden beide idR frühestens mit Vorschreibung der ersten erhöhten Prämie eine sinnvolle wirtschaftliche Disposition treffen können. Aufgrund der Kündigungstermine und Fristen ist es dem jungen Erwachsenen aber nicht möglich, sogleich auf einen weiteren Versicherungsschutz zu verzichten, wenn er einen solchen nicht wünscht, sondern er muss – uU 15 Monate lang – weitere Prämien inklusive einer Altersrückstellung bezahlen, die ungewünscht und für ihn jedenfalls zum Teil wertlos sind. Dieses Ergebnis steht mit den sozialpolitischen Erwägungen des Gesetzesgebers des § 178f VersVG und § 879 Abs 3 ABGB aber nicht in Einklang und die Klausel ist daher gröblich benachteiligend für den Versicherungsnehmer.

 

 

Regelung über nach Umstellung zu zahlende Prämie intransparent

 

Darüber hinaus verstößt die Klausel gegen das in § 6 Abs 3 KSchG enthaltene Transparenzgebot, zumal nicht klar ist, wie hoch die zu zahlende Prämie mit Vollendung des 18. Lebensjahres ist. Auch wenn dem Versicherungsnehmer klar wäre, dass die neue Prämie „substantiell höher“ sein wird, ist doch völlig offen, welche Parameter und Tarife zur Anwendung kommen sollen. So liegt nach dem Wortlaut der Klausel keineswegs auf der Hand, dass jene Prämie zu entrichten ist, die bei Neuabschluss einer Einzelversicherung im Zeitpunkt der „Umstellung“ auf Basis des Gesundheitszustandes des jungen Erwachsenen berechnet wird, wie in der Berufung argumentiert wird. Vielmehr könnte nach dem Wortlaut auch auf ein Tarifsystem bei Abschluss des ursprünglichen Versicherungsvertrages abgestellt werden oder bei Beginn der Mitversicherung, va wenn diese Zeitpunkte noch nicht lange zurückliegen oder damals ein anderes, uU für den Versicherer aus nunmehriger Sicht günstigeres System bestand. Da die Klausel zudem lediglich abstellt auf „Prämien […], die für erwachsene Personen zu entrichten sind“, ist es zudem keineswegs ausgeschlossen, dass Zu- oder Abschläge, die dem erwachsenen Versicherungsnehmer verrechnet werden, auf den Mitversicherten durchschlagen, sowie ungewiss, ob und inwieweit die Mitversicherung bestehen bleibt und kostenmäßig berücksichtigt wird.

 

Das OLG Wien folgt damit der Rechtsauffassung des VKI und bestätigte das Urteil erster Instanz vollinhaltlich. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

 

 

Anmerkung

 

Das Gericht entschied, dass erstens notwendig ist, dass dem Versicherungsnehmer klar sein muss, wie hoch die Prämie ab Vollendung des 18. Lebensjahres sein wird; zweitens muss der Versicherungsnehmer vorab von der Prämienerhöhung informiert werden und er muss die Möglichkeit haben, den Versicherungsvertrag mit Wirksamwerden der Prämienerhöhung zu kündigen. Prämienanpassungsklauseln, die diesen Kriterien nicht entsprechen, sind unzulässig.