Rettungsteam bedroht: Keine Privathaftpflichtdeckung

In der Privathaftpflichtversicherung sind Schäden, die aus der Gefahr des täglichen Lebens resultieren, gedeckt. Der OGH musste entscheiden, ob eine Schädigung durch die Bedrohung eines Rettungsteams in einem seelischen Ausnahmezustand Gefahr des täglichen Lebens ist.

 

 

 

Am 7. 9. 2017, etwa um Mitternacht, erlitt der Vater des damals 16-jährigen Versicherten einen Herzinfarkt. Der Versicherte nahm zu diesem Zeitpunkt an einer etwa 1,5 km entfernten Geburtstagsfeier teil. Nach Verständigung durch seine Mutter lief der (mäßig alkoholisierte) Versicherte sofort nach Hause. Auf dem Weg in den zweiten Stock des Hauses nahm er ein im Eingangsbereich liegendes Taschenmesser mit in den 2. Stock, wo er den Vater am Boden liegen sah. Das Rettungsteam, bestehend aus einer Ärztin, zwei Sanitätern, einer Pflegerin und der Geschädigten, war mit der Reanimation des Vaters beschäftigt. In der Folge „flippte“ der Versicherte völlig aus. Er spielte mit dem ausgeklappten Messer herum und drohte die Mitglieder des Rettungsteams umzubringen, wenn sein Vater sterben würde. Der Versicherte hatte subjektiv das Gefühl, dass sich das Rettungsteam nicht ausreichend um seinen Vater kümmern würde, was aber nicht den Tatsachen entsprach. Der Versicherte befand sich zum Zeitpunkt dieses Vorfalls aufgrund einer schweren akuten Belastungsreaktion in einem seelischen Ausnahmezustand, wodurch es ihm nicht mehr möglich war, in dieser Situation adäquat und zielgerichtet zu handeln und das Unrecht seiner Tat einzusehen. Die Geschädigte erlitt infolge des Verhaltens des Versicherten eine posttraumatische Belastungsstörung mit Krankheitswert.

 

Der OGH verneinte hier das Vorliegen einer Gefahr des täglichen Lebens und somit die Deckungspflicht des Haftpflichtversicherers. Das Berufungsgericht hat die Deckungspflicht u.a. mit Verweis auf die Entscheidung OGH 7 Ob 145/17z, wonach eine infolge psychischer Erkrankung erfolgte Messerattacke keine solche vom gedeckten Risiko umfasste Gefahr des täglichen Lebens ist, in die ein Durchschnittsmensch im normalen Lebensverlauf üblicherweise gerät, nach Ansicht des OGH vertretbar verneint.

 

Auch weitere jüngere Entscheidungen des OGH gehen in diese Richtung:

 

Bedrohung mit einer Axt: Läuft der Versicherungsnehmer im Zuge einer verbalen Auseinandersetzung mit einer hocherhobenen Axt auf zwei Spaziergänger zu, lässt die Axt erst fallen, als er nur mehr etwa zwei bis drei Meter von den Spaziergängern entfernt ist, drängt dann jedoch einen der Spaziergänger mit seinem Oberkörper immer weiter nach hinten und bedroht ihn dabei mit dem Umbringen, liegt keine Gefahr des täglichen Lebens vor.

 

Messerattacke: Eine infolge psychischer Erkrankung erfolgte Messerattacke ist keine Gefahr des täglichen Lebens.

 

Schaffung einer gefährlichen Situation: Das bewusste Schaffen einer Situation, die eine Brandgefahr oder Explosionsgefahr mit sich bringt, aus bloßem Mutwillen gehört bei Erwachsenen nicht zur Gefahr des täglichen Lebens.

 

Quelle: OGH 9 Ob 45/21i, versdb 2021, 48

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