Gegner wirft VN Vorsatz vor: Haftpflicht leistungsfrei

Das Problem, dass der Gegner des VN durch Behauptungen die Leistungspflicht des Versicherers möglicherweise beeinflussen kann, kennen wir aus der Rechtsschutzversicherung. Allerdings besteht dieses Problem auch in der Haftpflichtversicherung, wie der OGH jüngst auch bestätigte (OGH 7 Ob 131/21x, versdb 2021, 60).

 

 

Die Bestimmungen in den Bedingungen lauteten auszugsweise:

 

Artikel 11

Versicherungsfall und Versicherungsschutz

1. Versicherungsfall

 

Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem privaten Risikobereich (siehe Artikel 12, Punkt 1.) entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen (Punkt 2.) erwachsen oder erwachsen könnten.

[…]

 

Artikel 17

Ausschlüsse vom Versicherungsschutz

Nicht versichert sind:

[...]

3. Schadenersatzverpflichtungen der Personen, die den Schaden, für den sie von einem Dritten verantwortlich gemacht werden, rechtswidrig und vorsätzlich herbeigeführt haben. Dem Vorsatz wird gleichgehalten eine Handlung oder Unterlassung, bei welcher der Schadenseintritt mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden musste, jedoch in Kauf genommen wurde.“

 

 

Fall und Entscheidung des OGH: 

 

Im vorliegenden Fall behauptet der Geschädigte sowohl im Anspruchsschreiben als auch in seiner während des Deckungsprozesses erhobenen Klage gegen den mitversicherten Ehegatten des VN, dass ihm dieser mit einer schweren Eisenstange mehrere Schläge gegen den Kopf versetzt habe. Darin liegt die Behauptung einer Vorsatztat. Da der Geschädigte seinen Schadenersatzanspruch auf eine Vorsatztat stützt, ist die Deckung nach Art 17.3 ABH 2016 ausgeschlossen.

 

Im vorliegenden Verfahren wird nur die Deckung des vom Geschädigten erhobenen Anspruchs formal, ohne den zugrundeliegenden Lebenssachverhalt, geprüft. Ergibt die Prüfung des Lebenssachverhalts im Haftpflichtprozess einen anderen (gedeckten) Anspruch, so steht diesem der Ausgang des vorliegenden Deckungsprozesses nicht entgegen.

 

 

Anmerkung:

 

In die gleiche Richtung zielte bereits eine Entscheidung des OGH aus dem Jahr 2019 (versdb 2019, 27). Der OGH begründet die damalige Entscheidung so: Grundsätzlich ist nach bisheriger Rechtsprechung der Deckungsanspruch des Haftpflichtversicherten durch das versicherte Risiko spezialisiert und von dem vom Geschädigten erhobenen Anspruch abhängig, dh unter Zugrundelegung des vom Geschädigten behaupteten Sachverhalts. Von diesem Grundsatz ist (auch beim vorweggenommenen Deckungsprozess) nicht abzugehen, andernfalls hätte es der VN in der Hand durch bloße, dem Anspruch des Geschädigten widersprechende, Behauptungen Deckung zu erlangen. Grundlage für die Prüfung, ob ein gedeckter Versicherungsfall vorliegt, ist daher der geltend gemachte Anspruch ausgehend von den vom Geschädigten behaupteten Sachverhalt.

 

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine aktuelle Entscheidung des BGH Deutschland aus dem Jahr 2021, wo es um die zeitliche Einordnung des Verstoßzeitpunktes in der Rechtsschutzversicherung aufgrund der Gegnerbehauptung ging: Die Klausel ist lt. BGH für den Kunden zwar verständlich, benachteiligt ihn aber unangemessen. VN vertrauten darauf, dass sie als Gegenleistung der Prämienzahlung geschützt würden. Der BGH betonte, dass die darin liegende "Solidaritätszusage" nur eingelöst werde, wenn der Eintritt des Versicherungsfalls vom Standpunkt des Versicherten aus geprüft werde. Ansonsten könne der Gegner mit bloßen Behauptungen dem Rechtsschutz den Boden entziehen.

 

Legt man dieses Ergebnis auf die Anwendung von Ausschlüssen aufgrund von Behauptungen des Gegners in der Haftpflichtversicherung um, dann kann auch diese Einschränkung unter Umständen den VN gröblich benachteiligen und somit unzulässig sein.

 

 

 

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