Aktuelle Entscheidung zur Nachhaftung in der Rechtsschutzversicherung

Die Nachhaftungsfrist (Nachmeldefrist) in der Rechtsschutzversicherung wurde bereits mehrmals vom OGH für unanwendbar erklärt. Nun gibt es auch eine aktuelle Entscheidung zu einem Verbrauchervertrag.

 

 

Dem Rechtsschutzversicherungsvertrag, der vom VN per 1. 8. 2015 gekündigt wurde, lagen die „Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2001)“ zugrunde. Diese lauten auszugsweise:

 

„Artikel 3

Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung? (Zeitlicher Geltungsbereich)

[...]

3. Wird der Deckungsanspruch vom Versicherungsnehmer später als zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages für das betreffende Risiko geltend gemacht, besteht, unabhängig davon, wann der Versicherungsnehmer Kenntnis vom Eintritt eines Versicherungsfalles erlangt, kein Versicherungsschutz.

[...]"

 

Der Versicherer erklärte sich leistungsfrei, weil der Versicherungsfall erst nach Ende der Nachhaftungsfrist vom VN gemeldet wurde.

 

 

Entscheidung des OGH

 

Art 3.3. ARB 2001 regelt einen Risikoausschluss. Wortgleiche Ausschlussklauseln in Rechtsschutzversicherungsverträgen mit Verbrauchern waren bereits Gegenstand höchstgerichtlicher Entscheidungen: Zwar ist eine Ausschlussfrist grundsätzlich nicht objektiv ungewöhnlich und zur Risikoabgrenzung üblich. Eine Bedingung aber, die – wie hier – eine Ausschlussfrist regelt und allein auf einen objektiven fristauslösenden Zeitpunkt abstellt, ist im Zusammenhang mit § 33 Abs 1 VersVG, wonach der VN den Eintritt des Versicherungsfalls, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, unverzüglich dem Versicherer anzuzeigen, ungewöhnlich, weil dadurch der Anspruch erlischt, auch wenn unverzüglich nach Kenntnis vom Versicherungsfall eine Schadensanzeige erstattet wurde. Hat der VN vor Ablauf der Ausschlussfrist keine wie immer gearteten Hinweise darauf, dass sich ein Versicherungsfall während der Vertragszeit ereignet haben könnte, so ist der Anspruchsverlust auch im Fall der unverzüglichen Meldung nach § 33 Abs 1 VersVG als objektiv und subjektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB zu beurteilen. Die Vertragsbestimmung ist insoweit nichtig und daher unbeachtlich.

 

Soweit sich der Versicherer bei seiner Deckungsablehnung auf den Ablauf der zweijährigen Ausschlussfrist des Art 3.3. ARB 2001 berief, war dies nach Ansicht des OGH wegen Nichtigkeit der Bestimmung nicht berechtigt, zumal der VN Verbraucher ist und eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel nicht in Frage kommt.

 

 

Anmerkung

 

Bei jedem einzelnen Fall muss dennoch beachtet werden, dass der VN den Schadenfall nach Kenntniserlangung unverzüglich anzeigen muss.

 

Diskussionswürdig ist in jedem Einzelfall, wann nun der VN tatsächlich Kenntnis vom möglichen Versicherungsfall erlangt und wann die Meldung erfolgen muss. Bei aufrechtem Vertrag ist die Meldung nach Ansicht des OGH erst dann erforderlich, wenn die Rechtsstreitigkeit konkret wird, bei bereits beendeten Versicherungsverträgen ist eine unverzügliche Anzeige nach Ansicht des OGH aber bereits dann erforderlich, wenn der VN von einem möglichen Rechtsstreit weiß. Fraglich ist natürlich, welcher Zeitpunkt das nun genau ist. Es gibt hier erhebliche Unsicherheit. Die Differenzierung des erforderlichen Zeitpunktes für die Meldung des Versicherungsfalles zwischen aufrechtem und bereits beendetem Versicherungsvertrag entbehrt mE im Verbrauchergeschäft jeglicher rechtlicher Grundlage (Quelle: versdb print 2020 H 6, 14).

 

 

 

OGH 7 Ob 170/21g, versdb 2022, 4

 

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