Krankenversicherung: Klausel Umstellung auf Erwachsenentarif intransparent

Der OGH bestätigte nun in einem Verbandsprozess, dass die Klausel eines Versicherers, die eine Prämienerhöhung mit 18 regelt, intransparent ist (OGH 7 Ob 177/21m, versdb 2022, 9). Der OGH schließt sich somit der Entscheidung der Vorinstanz (OLG Wien) an.

 

 

Die AVB 1995/Fassung Juli 2012 des Versicherers enthalten folgende Klausel:

 

„Pflichten des Versicherungsnehmers

§ 10 A) Prämien und Gebühren:

[…]

(2) Hat ein mitversichertes Kind das 18. Lebensjahr vollendet, so sind ab dem nächstfolgenden Monatsersten die Prämien zu bezahlen, die für erwachsene Personen zu entrichten sind.

[…]“

 

In § 178f Abs 1 VersVG wird für den Bereich der Krankenversicherung festgelegt, dass eine Vereinbarung, nach der der Versicherer berechtigt ist, die Prämie nach Vertragsabschluss einseitig zu erhöhen oder den Versicherungsschutz einseitig zu ändern, etwa einen Selbstbehalt einzuführen, nur mit den sich aus den folgenden Abs 2 und 3 ergebenden Einschränkungen wirksam sei, dies unbeschadet des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG bzw § 6 Abs 2 Z 3 KSchG. In Abs 2 Satz 1 leg cit werden jene Umstände genannt, die als Faktoren für die Änderung der Prämie oder des Versicherungsschutzes vereinbart werden dürfen. In Abs 2 Satz 2 leg cit werden andere Faktoren – so unter anderem bloß vom Älterwerden des Versicherten abhängige Anpassungen – zur Klarstellung ausgeschlossen. Eine ausdrückliche Ausnahme vom Verbot, das Ausmaß der Prämie vom steigenden Alter des Versicherten abhängig zu machen, enthält Abs 2 Satz 3. Danach kann vereinbart werden, dass eine zunächst geringere Prämie ab einem bestimmten Lebensalter des Versicherten auf denjenigen Betrag angehoben wird, den der betreffende Tarif für Versicherte vorsieht, die mit diesem Alter in die Versicherung eintreten; dieses Lebensalter darf nicht über 20 Jahren liegen. § 178f Abs 3 VersVG sieht für den Fall, dass der Versicherer die Prämie erhöht, vor, dass er dem Versicherungsnehmer auf dessen Verlangen die Fortsetzung des Vertrags mit höchstens gleichbleibender Prämie und angemessenen geänderten Leistungen anzubieten hat.

 

Der Krankenversicherungsvertrag kann daher – in Ergänzung zum Katalog der Änderungsfaktoren gemäß § 178f Abs 2 Z 1 bis 6 VersVG – für die Überschreitung der Altersgrenze eine Anhebung der Prämie auf jenes Maß vorsehen, die von einer Person dieses Alters bei einem Neuabschluss unter Berücksichtigung der Altersrückstellung tarifmäßig zu entrichten wäre.

 

Die Klausel des Versicherers entspricht bereits nicht § 178f Abs 2 letzter Satz VersVG. Die gesetzliche Bestimmung lässt eine Vereinbarung zu, wonach eine zunächst geringere Prämie ab einem bestimmten Lebensalter des Versicherten auf denjenigen Betrag angehoben werden kann, den der betreffende Tarif für Versicherte vorsieht, die mit diesem Alter in die Versicherung eintreten. Dagegen stellt die Klausel allgemein nur auf die von erwachsenen Personen zu entrichtende Prämien und nicht auf einen von der Beklagten für in diesem Alter in die Versicherung Eintretende konkreten Tarif ab. Zutreffend gingen die Vorinstanzen nach Ansicht des OGH davon aus, dass bei kundenfeindlichster Auslegung der Klausel es damit im Belieben der Beklagten steht, irgendeinen Tarif für Erwachsene auszuwählen und willkürlich die Prämienhöhe zu bestimmen.

 

Die Klausel ist damit intransparent nach § 6 Abs 3 KSchG und bereits aus diesem Grund unwirksam, sodass sich lt. OGH weitere Ausführungen erübrigen.

 

 

Anmerkung

 

Es gibt zu dieser Entscheidung mehrere interessante Aspekte:

 

  1. Rechtsfolgen der Intransparenz: Es handelt sich beim vorliegenden Fall um einen Verbandsprozess. Es wird somit die kundenfeindlichste Auslegung herangezogen. Was nun das Gericht in einem Individualprozess (Prozess zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer zu einem konkreten Versicherungsvertrag) entscheiden würde, ist strittig. Entscheidend ist nämlich, ob eine ergänzende Vertragsauslegung bei Entfall einer intransparenten Klausel zulässig ist. In diesem Fall muss die Klausel von den Gerichten so (ergänzend) ausgelegt werden, dass eine zulässige - nicht intransparente - Formulierung herauskommt. Eine Prämienanpassung wäre dann grundsätzlich möglich. Die Zulässigkeit der ergänzenden Vertragsauslegung bei intransparenten Klauseln ist umstritten. Die besseren Gründe sprechen nach Ansicht von Schauer für die Zulässigkeit (Schauer, Versicherungsrundschau Heft 6/2021 S. 48)
  2. Ist eine Klausel für die Umstellung auf den Erwachsenentarif transparent formuliert (z.B. mit Hinweis auf Umstellung auf die tarifmäßige Prämie einer Person dieses Alters bei einem Neuabschluss unter Berücksichtigung der Altersrückstellung), wäre die Anpassung nicht mehr intransparent und somit zulässig.
  3. Die Vorinstanzen sahen die Klausel auch als gröbliche benachteiligend für den Versicherungsnehmer an: "Da die Umstellung automatisch erfolgt, von der Beklagten (Versicherer) nicht vorangekündigt werden muss und die neue Prämienhöhe für den VN und den Mitversicherten nicht einmal größenordnungsmäßig vorweg abschätzbar ist, werden beide idR frühestens mit Vorschreibung der ersten erhöhten Prämie eine sinnvolle wirtschaftliche Disposition treffen können. Aufgrund der Kündigungstermine und Fristen ist es dem jungen Erwachsenen aber nicht möglich, sogleich auf einen weiteren Versicherungsschutz zu verzichten, wenn er einen solchen nicht wünscht, sondern er muss – uU 15 Monate lang – weitere Prämien inklusive einer Altersrückstellung bezahlen, die ungewünscht und für ihn jedenfalls zum Teil wertlos sind. Dieses Ergebnis steht mit den sozialpolitischen Erwägungen des Gesetzesgebers des § 178f VersVG und § 879 Abs 3 ABGB aber nicht in Einklang und die Klausel ist daher gröblich benachteiligend für den Versicherungsnehmer." Bei einer missbräuchlichen Klausel (aufgrund § 879 Abs 3 ABGB) wäre eine ergänzende Vertragsauslegung im Individualprozess wohl unzulässig (vgl. Schauer, Versicherungsrundschau Heft 6/2021 S. 42). Die Prämienanpassungsklausel würde ersatzlos entfallen.