Bauträgerhaftpflicht: Überschreitung des versicherten Risikos

Das versicherte Risiko ist ein heikles Thema in der Betriebshaftpflichtversicherung. In einem aktuellen Fall bestätigte der OGH die Leistungsfreiheit des Haftpflichtversicherers eines Bauträgers (OGH 7 Ob 193/21i, versdb 2022, 13).

Der Versicherungsnehmer übernahm in einer mit der Bauträgerin des Bauvorhabens geschlossenen – als Werkvertrag bezeichneten – Vereinbarung die nachstehenden Leistungen: Einreichplanung und Bauphysik samt Vorlage einer aktualisierten Kostenschätzung auf Basis der Einreichplanung; Ausführungs- und Detailplanung; Ausschreibung und Leistungsverzeichnisse; technische, geschäftliche und künstlerische Oberbauleitung der Bauausführung; örtliche Bauaufsicht; Statik; Bauphysik; Planung Ausschreibung ÖBA Elektro; Planung, Ausschreibung ÖBA Heizung, Lüftungs- und Sanitäranlage; Baukoordination. Vereinbart wurde dabei die Geltung der Honorarrichtlinie für Architekten (HOA) in der geltenden Fassung; sowie des Allgemeinen Teils der Honorarordnungen (AT).

 

Der Versicherungsnehmer wird im Haftpflichtprozess von der dort klagenden Bauträgerin auf Schadenersatz wegen einer unrichtigen Kostenschätzung im Rahmen der von ihm mit dem „Werkvertrag“ übernommenen Einreichplanung in Anspruch genommen.

 

Der Haftpflichtversicherungsvertrag enthielt u.a. folgende Bestimmungen zum versicherten Risiko:

 

"7. Versichertes Risiko

Voraussetzung für die Versicherbarkeit nach der Rahmenvereinbarung ist eine aufrechte Gewerbeberechtigung als Immobilientreuhänder gemäß den Bestimmungen der § 94 Z 35 iVm § 117 GewO.

Das versicherte Risiko umfasst alle Eigenschaften, Rechtsverhältnisse und Tätigkeiten des Versicherten, zu denen er aufgrund der für seinen Beruf und Betrieb geltenden Rechtsnormen und Berufsbilder berechtigt ist.

 

[…]

 

9. Besondere Vereinbarungen

[…]

9.2 Risikospezifische Besondere Vereinbarungen

[…]

9.2.3 Bauträger

9.2.3.1 Exemplarische Tätigkeitsbeschreibung

Der Versicherungsschutz erstreckt sich insbesondere auf folgende Tätigkeiten des Versicherungsnehmers im Rahmen seiner jeweiligen Gewerbeberechtigung:

1. Der Tätigkeitsbereich des Bauträgers umfasst die organisatorische und kommerzielle Abwicklung von Bauvorhaben (Neubauten, durchgreifende Sanierungen) auf eigene oder fremde Rechnung sowie die hinsichtlich des Bauaufwands einem Neubau gleichkommende Sanierung von Gebäudeteilen. Der Bauträger ist auch berechtigt, diese Gebäude zu verwerten.

[…]

Klargestellt wird, dass die planende Tätigkeit des Versicherungsnehmers, sämtliche Tätigkeiten des Versicherungsnehmers des Bauhaupt-, Bauhilfs- und Baunebengewerbes sowie Tätigkeiten als Generalunternehmer nicht vom Versicherungsschutz umfasst sind."

 

 

Entscheidung des OGH

 

Das Berufungsgericht vertrat im hier vorliegenden Einzelfall die Rechtsansicht, dass der Versicherungsnehmer gerade keine Tätigkeiten innerhalb des versicherten Risikos, nämlich der organisatorischen und kommerziellen Abwicklung eines Bauvorhabens als Bauträger übernommen habe, sondern sie sich vielmehr gegenüber der Bauträgerin zur Erbringung außerhalb der Versicherungsdeckung liegender fachspezifischer Einzelleistungen verpflichtete. Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden.

 

Soweit der Versicherungsnehmer dem entgegenhält, dass er weder als Generalplaner noch als Generalunternehmer anzusehen sei und die Verpflichtung, die nötigen planerischen Arbeiten sachgerecht und rechtzeitig zu veranlassen, das Beauftragen der Ausführungsleistungen sowie die Kontrolle aller Baubelange in rechtlicher, wirtschaftlicher, kostenmäßiger und quantitativer Hinsicht zum Berufsbild des Bauträgers gehöre, übergeht er, dass er in dem Vertrag mit der Bauträgerin tatsächlich keine Verpflichtung zu einer derartigen organisatorischen Abwicklung, sondern eine solche zur Erbringung der konkret angeführten fachspezifischen Einzelleistungen übernahm. Entscheidend ist, zu welchen Leistungen er sich vertraglich gegenüber der Bauträgerin verpflichtete und ob diese im Rahmen der versicherten Tätigkeiten liegen. Dass der Versicherungsnehmer sich allenfalls zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen Subunternehmer bedienen wollte oder auch bediente, bedeutet nicht die Übernahme der organisatorischen Abwicklung. Es realisierte sich damit nicht das vereinbarte, sondern ein darüber hinausgehendes Risiko.

 

 

Anmerkung

 

Bei der Auslegung der Risikoumschreibung ist der Umfang der Gewerbeberechtigung maßgebend. Ist jedoch die Überschreitung der gewerberechtlichen Befugnis nicht offensichtlich, besteht Versicherungsschutz. Die Auslegung der in der Polizze enthaltenen Risikobeschreibung hat sich nämlich am Verständnis eines redlichen und verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren. Formuliert der Versicherer selbst Beschreibungen des versicherten Risikos in den Bedingungen oder in Vertragsformblättern (zB Antragsformular), gehen Unklarheiten in diesen Formulierungen gem § 915 ABGB zu Lasten des Versicherers. Auch Nebenrechte iSd § 32 GewO sind grundsätzlich gedeckt. Immer wieder gibt es Entscheidungen des OGH zur Überschreitung des versicherten Risikos - jüngst etwa zum Tätigkeitsbereich eines Bilanzbuchhalters (OGH 7 Ob 104/21a, versdb 2021, 47).

 

 

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