OGH zur Haftpflichtdeckung eines gewerblichen Vermögensberaters

Das versicherte Risiko war insbesondere auch in letzter Zeit häufig Thema bei Streitigkeiten, die vom OGH entschieden werden mussten. In einem aktuellen Fall lehnte der Haftpflichtversicherer die Deckung ab, weil das Risiko außerhalb des gedeckten Bereiches liegt (OGH 7 Ob 176/21i, versdb 2022, 16).

Die Klägerin (VN) ist gewerbliche Vermögensberaterin im Sinn des § 94 Z 75 GewO 1994 und hat mit dem Versicherer einen Berufshaftpflicht-Versicherungsvertrag abgeschlossen, dem unter anderem die Besonderen Vereinbarungen und Risikobeschreibung für Gewerbliche Vermögensberater in Österreich (FINANZPL-Ö) zugrunde liegen, die auszugsweise lauten:

 

„I. Risikobeschreibung

Versichert ist die rechtlich zulässige Tätigkeit als Gewerblicher Vermögensberater gemäß § 94 Z 75 Gewerbeordnung 1994 (GewO) i.V.m. § 136a GewO soweit sich diese bezieht auf die

1. Beratung bei Aufbau, Sicherung und Erhaltung von Vermögen und Finanzierung mit Ausnahme der Anlageberatung in Bezug auf Finanzinstrumente (§ 3 Absatz 2 Z 1 Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 (WAG));

2. Vermittlung von Veranlagungen und Investitionen, ausgenommen Finanzinstrumente (§ 3 Absatz 2 Z 3 WAG);"

 

 

Behauptete Fehlleistung des VN

 

Die Klägerin hat auch hinsichtlich von Genussrechten Beratungsleistungen gegenüber der Anlegerin erbracht. Allerdings stützt die Anlegerin ihr Klagebegehren im Haftpflichtprozess im Zusammenhang mit dem Erwerb der Genussrechte der Klägerin nicht auf eine Fehlberatung, sondern darauf, dass sie weder der Überweisung der Rückkaufswerte aus aufgelösten Lebensversicherungsverträgen an die Klägerin noch dem damit finanzierten Erwerb der Genussrechte zugestimmt habe, der Erwerb aber dennoch durchgeführt wurde.

 

 

Sachverhalt außerhalb des versicherten Risikos

 

Der Deckungsanspruch des Haftpflichtversicherten ist durch das versicherte Risiko spezialisiert und von dem vom Geschädigten erhobenen Anspruch abhängig. Zwar umfasst der Versicherungsschutz in der Haftpflichtversicherung auch die den Umständen nach gebotenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Feststellung und Abwehr einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzpflicht. Versicherungsschutz besteht aber nur für die Abwehr jener Ansprüche, die grundsätzlich von der Deckungspflicht des Versicherers umfasst sind. Die Kostendeckung für die Anspruchsfeststellung und -abwehr reicht nicht weiter als das materiell gedeckte Risiko.

 

Da der Deckungsanspruch der Klägerin von dem von der Anlegerin erhobenen Anspruch abhängig ist, bedarf nach Ansicht des OGH die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Anlegerin keine Fehlleistung bei der Beratung über Aufbau, Sicherung und Erhaltung von Vermögen und Finanzierung, sondern eine auftragswidrige Handlung des für die Klägerin tätigen Vermögensberaters geltend macht und deshalb keine Deckung gemäß Art I.1. FINANZPL-Ö besteht, keiner Korrektur.

 

 

Liegt Vermittlungstätigkeit vor?

 

„Vermitteln“ bedeutet, zwei potentielle Vertragspartner zusammenzubringen und zum Geschäftsabschluss zu bewegen. Dieses Auslegungsergebnis ist klar und zweifelsfrei, sodass kein Auslegungsspielraum besteht. Eigengeschäfte sind davon nicht umfasst.

 

Im vorliegenden Fall erwarb die Anlegerin eine schuldrechtliche Vermögensbeteiligung (Genussrecht) an der Klägerin (Emittentin), wobei die Klägerin bei diesem Geschäft durch einen selbstständigen – wie sie auch in der Revision selbst einräumt – ihr zuzurechnenden Vermögensberater vertreten war. Damit ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass eine Vermittlung gemäß Art I.2. FINANZPL-Ö nicht vorliegt, weil sich nur die Vertragspartner – nämlich die Klägerin, vertreten durch den Vermögensberater, und die Anlegerin – gegenüberstanden, ebenfalls nicht korrekturbedürftig.

 

 

Anmerkung

 

Es kommt bei der Beurteilung, ob in der Haftpflichtversicherung Versicherungsschutz besteht, wesentlich auf die Behauptungen des Gegners an. Dies betrifft sowohl die primäre Risikoumschreibung als auch die Ausschlüsse. Bei den Ausschlüssen hat der OGH bereits mehrmals ausgesprochen, dass kein Versicherungsschutz zu gewähren ist, wenn der Gegner Vorsatz des VN behauptet. Möglicherweise sind die Klauseln in den Bedingungen im Lichte eines Urteils des BGH zur Rechtsschutzversicherung gröblich benachteiligend für den VN, weil der VN hier dem Gegner "ausgeliefert" ist.