Baumeister verkauft Reihenhäuser - Deckung aus Vertragsrechtsschutz?

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Sobald es um den Verkauf und die Errichtung von Bauwerken geht, gibt es Diskussionsbedarf bei der Deckungsfrage im Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz. Der OGH beschäftigte sich mit einem Fall, bei dem ein Baumeister mehrere Reihenhäuser verkaufte und unterschiedliche Vertragskonstellationen vorlagen (OGH 7 Ob 85/22h, versdb 2022, 62).

 

 

Der VN hat mit dem Versicherer einen Rechtsschutzversicherungsvertrag geschlossen. Darin ist der Betriebs-Rechtsschutz inklusive Allgemeiner Vertrags-Rechtsschutz für den betrieblichen Bereich „Baumeister“ enthalten. Die Versicherungssumme dafür beträgt 54.000 EUR. Zwischen den Parteien wurde eine Streitwertobergrenze von 14.800 EUR vereinbart. Darüber hinaus besteht gemäß den Bedingungen Versicherungsschutz, sofern und solange die Gesamtansprüche die vereinbarte Obergrenze um nicht mehr als 10 %, maximal 1.454 EUR, übersteigen.

 

Zuletzt begehrten der Erstkläger des Ausgangsprozesses vom VN die Zahlung von 26.847,20 EUR, der Zweit- und die Drittklägerin 20.690 EUR, der Viert- und die Fünftklägerin 14.740 EUR, der Sechst- und die Siebentklägerin 15.740 EUR und der Acht- sowie der Neuntkläger 14.300 EUR.

 

Der Versicherer wandte ein, dem VN werde im Anlassverfahren mangelhafte Bauausführung vorgeworfen, insbesondere Teile der Gebäude betreffend, die überwiegend über alle Grundstücke und Häuser errichtet worden seien (Terrassendach und Carport). Darin liege ein einheitlicher Versicherungsfall und ein einheitlicher Lebenssachverhalt. Dem VN werde demgegenüber nicht die Mangelhaftigkeit der Verträge vorgeworfen, deshalb sei auf die Bauleistung und nicht auf die Verträge abzustellen. Die geltend gemachte Gesamtforderung überschreite die Streitwertgrenze. Die Risikobegrenzung der Streitwertgrenze solle nicht durch die Geltendmachung von Teilansprüchen oder ein zu niedrig bewertetes Feststellungsbegehren unterlaufen werden.

 

 

Entscheidung des OGH:

 

I. Streitwertobergrenze

 

Von ausschlaggebender Bedeutung ist, ob es sich im gegenständlichen Fall um rechtlich völlig selbständige Verträge zwischen dem VN und seinen Vertragspartnern handelt, aus denen die geltend gemachten Ansprüche resultieren, oder ob es einen Zusammenhang zwischen den Verträgen durch eine Art Rahmenvertrag zwischen dem VN und den Dritten gibt, wodurch die künftige Vertragsbeziehung geregelt werden soll.

 

Würde sich aus der Vertragslage ableiten lassen, dass die Parteien eine Art Rahmenvertrag schlossen und damit für künftige gleichartige oder ähnliche Rechtsgeschäfte im Vorhinein bestimmte generelle Vertragspflichten vereinbart hätten, die in der Zukunft für ihre Rechtsbeziehung immer zu gelten haben, so bestünde nach der Verkehrsauffassung ein einheitlicher Lebenssachverhalt und die Rechtsstreitigkeiten aus den einzelnen Verträgen wären als aus einem Versicherungsfall resultierend zur Ermittlung der Streitwertobergrenze zusammenzurechnen.

 

Die vertraglichen Verpflichtungen des VN ergeben sich aus fünf verschiedenen Verträgen (über fünf Reihenhaus - Objekte) mit unterschiedlichen Parteien. Der jeweils von den Klägern (gegen den VN) des Anlassprozesses behauptete Pflichtverstoß des VN kann immer nur anhand des jeweiligen Schuldverhältnisses beurteilt werden. Dass einzelne behauptete Pflichtverletzungen (wie etwa hinsichtlich des Daches und Carports) sich faktisch auf mehrere Verträge auswirken, führt nicht dazu, dass es sich um einen einheitlichen Versicherungsfall handelt. Es liegt gerade kein einheitlicher Verstoß unter wiederholter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage aus einem Vertrag vor, sondern die (wenn auch teilweise gleiche) Pflichtenlage ergibt sich aus den fünf unterschiedlichen Verträgen.

 

Liegen nun mehrere gänzlich voneinander unabhängige und selbständige Verträge des VN mit Dritten vor, so ist vom Vorliegen mehrerer Versicherungsfälle auszugehen und es ist für jeden einzelnen Vertrag zu ermitteln, ob die Gesamtansprüche aus jedem Vertrag für sich die mit dem Versicherer vereinbarte Streitwertobergrenze übersteigen oder nicht. Danach richtet sich die Deckungspflicht des Rechtsschutzversicherers.

 

 

II. Deckung für Streitigkeiten bei Vorliegen eines Kaufvertrages

 

Im allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz sind Ansprüche aus schuldrechtlichen Verträgen über bewegliche Sachen sowie aus Reparatur- und sonstigen Werkverträgen des Versicherungsnehmers über unbewegliche Sachen gedeckt.

 

Der vom VN mit dem Viert- und der Fünftklägerin abgeschlossene Vertrag ist ein Kaufvertrag über eine Liegenschaft samt darauf bereits errichtetem Haus und enthält kein werkvertragliches Element, sodass kein Versicherungsschutz besteht. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist dieser Kaufvertrag schon von der Umschreibung des versicherten Risikos im allgemeinen Vertragsrechtsschutz nicht erfasst; es handelt sich auch nicht „im weitesten Sinn um einen Werkvertrag über eine unbewegliche Sache“.

 

Auch der Vertrag des VN mit dem Erstkläger des Anlassprozesses ist als Kaufvertrag über eine Liegenschaft samt dem darauf errichteten Haus zu qualifizieren, war dieses doch bereits bei Vertragsabschluss errichtet und fertiggestellt. Soweit in Punkt 9. des Kaufvertrags auf einen „Werkvertrag“ Bezug genommen wird, ist nicht klar, zwischen wem dieser abgeschlossen worden sein soll. Jedenfalls ist der „im Werkvertrag vereinbarte Werklohn für den dort ausgewiesenen [Anm.: und bereits erbrachten] Leistungsumfang“ im Kaufpreis berücksichtigt. Als Kauf einer unbeweglichen Sache liegt damit kein Versicherungsschutz vor.

 

 

III. Deckung für Streitigkeiten bei Vorliegen eines "Kauf- und Werkvertrages"

 

Gegenstand des Vertrags des VN mit den Sechst- und Siebentklägern des Anlassprozesses ist nach den Feststellungen ein als „Kaufvertrag und Werkvertrag“ bezeichneter Vertrag, in dem er diesen die Liegenschaft verkauft und sich zur Errichtung eines Reihenhauses verpflichtet. Vereinbarungsgemäß waren im Pauschalpreis einerseits das Grundstück und andererseits die Bauleitung und Baubetreuung sowie zahlreiche einzeln angeführte Bauleistungen enthalten.

 

Voraussetzung für den Deckungsschutz nach Art 23.2.1 Artikel 23 Punkt 2 Punkt eins, ARB 2001 sind Ansprüche aus Reparatur- und sonstigen Werkverträgen des VN über unbewegliche Sachen. Der VN hat nachzuweisen, dass die geltend gemachten Ansprüche des Sechstklägers und der Siebentklägerin nicht aus einem Kaufvertrag, sondern aus einem Werkvertrag über unbewegliche Sachen auf deren Grund resultieren.

 

Die angeführten Feststellungen reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die von den Sechst- und Siebentklägern geltend gemachten Ansprüche, weil es sich um die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus einem Werkvertrag des VN über die Errichtung eines Hauses auf der von den Käufern erworbenen Liegenschaft handelt, vom Versicherungsschutz umfasst sind oder dies nicht der Fall ist. Dazu werden im fortgesetzten Verfahren nach Erörterung mit den Parteien aussagekräftige Feststellungen zu treffen sei.

 

 

IV. Deckung für Streitigkeiten bei Vorliegen eines reinen Werkvertrages

 

Der VN schloss mit dem Acht- und der Neuntklägerin des Anlassverfahrens einen Vertrag, in dem er sich zur Errichtung eines Reihenhauses auf der im Eigentum des Acht- und Neuntklägers stehenden Liegenschaft verpflichtete.

 

Um einen Werkvertrag über eine unbewegliche Sache (auf fremdem Grund) handelt es sich beim Vertrag des VN mit dem Acht- und dem Neuntkläger. In diesem verpflichtete sich der VN zur Errichtung eines Gebäudes auf der Liegenschaft der Acht- und Neuntkläger des Anlassprozesses.

 

Das vom Acht- und Neuntkläger angestrengte Verfahren gegen den VN, das die Streitwertobergrenze nicht erreicht, ist daher vom Versicherungsschutz umfasst.