OGH erklärt Ausnahmesituationsklausel für intransparent

Klausel:

 

"1. Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen […]

1.4. in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind.“

 

 

OGH:

 

Damit der Risikoausschluss zur Anwendung gelangt, muss die „Ausnahmesituation“ von einer „Regelsituation“ abweichen. Der Begriff „Ausnahmesituation“ wird vom nicht näher definiert. Er ist so unbestimmt, dass im allgemeinen Sprachbereich gerade keine klaren Kriterien bestehen, die eine zweifelsfreie Zuordnung jeder möglichen Situation entweder als Regelfall oder als Ausnahme zulassen. Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass der in der Klausel verwendete Begriff zahlreiche Interpretationen zulässt, die von der bloß unüblichen Situation bis hin zum nicht beherrschbaren außerordentlichen Zufall im Sinn des § 1104 ABGB reichen. Da der Verbraucher aber die Reichweite des Risikoausschlusses – und damit seine Rechtsposition – nicht verlässlich abschätzen kann, besteht die Gefahr, dass er aufgrund des unbestimmten Begriffs „Ausnahmesituation“ davon absieht, allenfalls berechtigte Ansprüche gegen den beklagten Versicherer geltend zu machen.

 

Die Klausel ist damit intransparent nach § 6 Abs 3 KSchG.

 

Anmerkung: Die Klausel ist intransparent und daher im Verbrauchergeschäft unzulässig. Der OGH hat aber erneut festgestellt (wie auch in 7 Ob 42/21h, versdb 2021, 31), dass die Ausnahmesituationsklausel nicht gröblich benachteiligend ist.

 

OGH 7 Ob 169/22m, versdb 2022, 74