Terrassentür unversperrt: Muss Versicherer dennoch zahlen?

versdb 2023, 52, OGH 7 Ob 59/23m

 

 

Am 12. Dezember 2019 ereignete sich ein Einbruchsdiebstahl in das Wohnhaus des VN. Der VN hatte gegen 9:00 Uhr in der Früh das Haus verlassen und kam gegen 22:00 Uhr wieder zurück. Der oder die Täter drangen in diesem Zeitraum über eine Terrassentür in das Haus ein. Diese Tür hat außen einen fixen Knauf und ist von innen versperrbar. Zum Zeitpunkt des Einbruchs war die Tür nicht versperrt, sodass der oder die Täter die Tür „aufhebeln“ konnten. Wäre die Tür zum Zeitpunkt des Einbruchs versperrt gewesen, wäre eine wesentlich größere Gewalteinwirkung notwendig gewesen, um sie aufzubrechen. Dabei wäre eine massivere Ausprägung der Einbruchsspuren zu erwarten gewesen. Dem VN ist bekannt, dass in seiner unmittelbaren Nachbarschaft bereits zu einem früheren Zeitpunkt, wahrscheinlich ebenfalls 2019, ein Einbruchsdiebstahl verübt wurde.

 

Nach Ansicht des OGH stellt das Verlassen des Hauses über mehrere Stunden bei unversperrter Terrassentür nicht in jedem Fall ein grob fahrlässiges Verhalten des VN dar. Dies auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass dem VN bekannt war, dass in seiner unmittelbaren Nachbarschaft bereits zu einem früheren Zeitpunkt ein Einbruchsdiebstahl verübt wurde, handelte es sich dabei doch um ein einmaliges Ereignis. Der VN behauptete im Verfahren erster Instanz, er würde die Tür stets versperrt halten und hätte dies lediglich am Vorfallstag ausnahmsweise vergessen. Zu dieser Behauptung hat das Erstgericht eine Negativfeststellung getroffen, die der VN in seiner Berufung bekämpft hat. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist diese Feststellung von Relevanz, muss doch nach der Rechtsprechung selbst ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen sein. Wenn es der VN einmalig unterlässt, eine Terrassentür nicht zu versperren, liegt aber kein subjektiv schwerstens vorwerfbares Verhalten vor (Leistungsfreiheit lt. Bedingungen nur bei grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung).

 

Hätte die Rüge des VN Erfolg, könnte im fortgesetzten Verfahren eine für den VN günstige Feststellung getroffen werden und ein bloß leicht fahrlässiges Verhalten des VN vorliegen, sodass die Verletzung der Obliegenheit nicht die Leistungsfreiheit des Versicherers bewirken würde. In Wahrnehmung dieses Umstands war daher das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und ihm die neuerliche Entscheidung aufzutragen.

 

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