Aktuelles Urteil: Versicherer darf sich bei Mieter des VN nicht regressieren

Lange war unklar, ob sich ein Gebäudeversicherer beim Mieter des VN regressieren darf. Eine aktuelle Entscheidung des OGH verneint grundsätzlich die Regressmöglichkeit des Versicherers.

 

 

Die erkennbare Interessenlage des Eigentümers ist dadurch geprägt, dass er Auseinandersetzungen mit einem Besitzer, dem er – meist aufgrund eines Vertrags – die Sachherrschaft eingeräumt hat, vermeiden will. Wäre das Sachersatzinteresse des Mieters nicht geschützt, so wäre der VN nach Eintritt des Versicherungsfalls genötigt, den Versicherer bei der Durchsetzung der auf diesen übergegangenen Ansprüche zu unterstützen, was zu einer erheblichen Belastung des Verhältnisses zum Mieter führen kann. Zudem kann ihm am Schutz des Mieters gelegen sein, weil er die Prämie (anteilig) auf diesen abgewälzt hat. Schließlich ist – vor allem bei Dauerschuldverhältnissen – das Interesse des Eigentümers hervorzuheben, eine Beeinträchtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Sachnutzers durch einen Regress des Versicherers zu vermeiden. Dem erkennbaren und schützenswerten Interesse des VN an einem Regressverzicht wegen leichter Fahrlässigkeit stehen auch keine solchen Interessen des Versicherers entgegen, die es ihm erlaubten, sich einem Regressverzicht zu entziehen. Weder ist ersichtlich, dass der Verzicht auf die Einnahmen aus dieser Fallgruppe die Gesamtkalkulation ernsthaft gefährden, noch erhöht sich die Gefahr gegenüber der Eigennutzung im Allgemeinen. 

 

Der Schutz des Sachersatzinteresses durch Regressverzicht steht auch nicht unter dem Vorbehalt, dass zu Gunsten des Haftpflichtigen keine Haftpflichtversicherung besteht, die den Schaden deckt. Gegen eine Subsidiarität spricht insbesondere, dass dem Haftpflichtigen (Mieter) Nachteile drohen, wenn er – etwa weil er als versicherungsrechtlicher Laie davon ausgeht, dass der Schaden von vornherein durch den Gebäudeversicherer gedeckt ist – den Haftpflichtversicherungsfall zu spät anzeigt oder wenn der Haftpflichtversicherer den Deckungsschutz zu Unrecht ablehnt und der Haftpflichtige deshalb zu einem Deckungsprozess gezwungen ist. Zusätzlich kann es bei einem Regress des Gebäudeversicherers de facto auch dadurch zu einer Belastung des Verhältnisses von Eigentümer und Haftpflichtigem kommen, dass beim Haftpflichtigen durch die Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers Aufwand entsteht, oder dass eine Inanspruchnahme aus Gründen scheitert, die er sich selbst zuzuschreiben hat. Diese Belastung kann dem Eigentümer vor allem bei Dauerschuldverhältnissen nicht von vornherein gleichgültig sein. Das gilt dann, wenn er (wovon etwa bei der Versicherung durch den Vermieter in der Regel auszugehen ist) die Versicherungsprämie zumindest verdeckt auf den Haftpflichtigen abgewälzt hat. 

 

Jedenfalls, wenn diese genannten Gesichtspunkte (Dauerschuldverhältnis, Abwälzung der Prämie) hinzukommen, ist daher von einem Regressverzicht auszugehen.

 

Im vorliegenden Fall war die dargestellte Interessenlage der Vermieterin dem Versicherer bei Abschluss des Versicherungsvertrags erkennbar. In der Versicherungspolizze war ausdrücklich angeführt, dass es sich bei dem versicherten Gebäude um „Büro-, Geschäfts- und Gastronomiebetrieb, Wohnungen“ und damit um ein „Mietshaus“ handelt, wobei ein Hinweis des Versicherers auf die am Versicherungsmarkt grundsätzlich bestehende Möglichkeit der Vereinbarung eines Regressverzichts zu Gunsten der Mieter der Vermieterin nicht feststeht. Ein redlicher Erklärungsempfänger durfte daher darauf vertrauen, dass der Versicherer jedenfalls auf Regressansprüche wegen leichter Fahrlässigkeit gegen jene Mieter, auf die seine Versicherungsnehmerin ihre Prämien (typischerweise – vgl § 21 MRG) überwälzt, verzichtet.

 

versdb 2023, 60, OGH 7 Ob 99/23v

 

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