Überfall auf Juwelier: OGH zur groben Fahrlässigkeit

versdb 2023, 66

Einbruchdiebstahl

7Ob106/23y

 

Am 22. 9. 2020 – kurz nach Ladenöffnung – dekorierte die Angestellte die hell erleuchteten Auslagen mit dem Rücken zur Tür mit Schmuckstücken; zu diesem Zweck war die Tür des Tresors offen. Der vor der Tür vorhandene Rollbalken war zu diesem Zeitpunkt nicht heruntergelassen. Zwei unbekannte Täter verschafften sich gewaltsam mit einem Werkzeug (Schraubendreher) Zutritt zum Geschäftsraum, in dem sie dieses Werkzeug zwischen Türblatt und Türrahmen schoben und auf diese Weise die mit der elektronischen Falle verschlossene, jedoch nicht mit dem Schlüssel versperrte Geschäftseingangstür überwanden. Der Überfall dauerte 40 Sekunden; die Täter entkamen unerkannt. Zum Zeitpunkt des Überfalls trug die im Geschäft anwesende Angestellte – mit Duldung des Geschäftsführers der Klägerin – keinen Alarmtaster.

 

Dass die elektronisch verschlossene Eingangstür durch bloßes Aufdrücken der Zarge geöffnet werden konnte war dem Geschäftsführer der Klägerin bis zum gegenständlichen Vorfall nicht bewusst. Ein Tragen des Alarmtasters hätte an dem binnen 40 Sekunden abgeschlossenen Raubüberfall nichts zu ändern vermocht und das sichtbare Dekorieren des Schaufensters vermag – ausgehend davon, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt auf eine elektronisch gesicherte Tür vertrauen durfte – für sich genommen einen Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht begründen. Die von der Beklagten ins Treffen geführte besondere Helligkeit der Beleuchtung – oder das Dekorieren besonders wertvoller Schmuckstücke – mag zwar die Aufmerksamkeit von Passanten anziehen, das begünstigt aber nicht unbedingt einen Überfall, der bevorzugt nicht vor aller Augen stattfinden soll. Der Versicherungsfall wurde daher von der Klägerin insgesamt nicht grob fahrlässig herbeigeführt, weshalb die Beklagte nicht aufgrund dieses Umstands leistungsfrei ist.

 

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